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Modernes Fachwerkhaus

« Der klassische Baustil im modernen Gewand »

Der deutsche Bauboom treibt mittlerweile recht merkwürdige Blüten. So suggeriert der bislang letzte Trend, dass die klassischen Fachwerkgebäude vor einer umfassenden Renaissance stehen. Befinden sich die deutschen Architekten hiermit auf dem Holzweg oder können dem mittelalterlichen Baustil tatsächlich noch neue Facetten abgerungen werden? Wir werfen einen näheren Blick darauf, wodurch sich ein modernes Fachwerkhaus auszeichnet.

Das Fachwerkhaus im Wandel der Jahrtausende

Die Fachwerkbauweise war bereits Bauherren im Römischen Reich ein Begriff. So geht deren erste schriftliche Überlieferung auf die Aufzeichnungen des Architekten Vitruv zurück, der zu Lebzeiten Jesu im Baugewerbe tätig war. Auch in den Ruinen der 79 n. Chr. vom Vesuv verschütteten Stadt Herculaneum wurden Bauten im Fachwerk-Stil entdeckt, wenngleich diese damals noch unter dem lateinischen Begriff „Opus Craticium“ bekannt waren. Um ihr Fachwerkhaus zu bauen, verwendeten die Römer allerdings schon recht fortschrittliche Methoden: Die Konstruktion bestand bereits aus einem stabilen Holzskelett, das wiederum von hölzernen Pfosten getragen wurde. Da diese in der feuchten Witterung des Mittelmeerraumes jedoch schnell zu faulen begannen, ging man später dazu über, das Holzhaus mit einem stabilen Fundament aus Stein oder waagerecht verlegten Schwellhölzern zu versehen. Aus Gründen der besseren Statik wurde damals zum Teil auch schon mit Querhölzern experimentiert, die die tragenden Elemente der Fachwerkgebäude stützen sollten. Als modernes Fachwerkhaus konnte man die römischen Bauten zwar noch nicht bezeichnen. Doch mit der Zeit wurde das Grundprinzip weiter perfektioniert, sodass sich der Baustil, zumindest nördlich der Alpen, bis zum 19. Jahrhundert als Standard für Hochbauten etablierte.

Typische Fachwerk-Holzbalken in einer modernen Wohnung
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Regionale Spezialitäten

Der Hauptgrund dafür, dass sich Fachwerkgebäude zu jener Zeit so großer Beliebtheit erfreuten, war aber zweifelsfrei finanzieller Natur. So war der Baustoff Holz ganz einfach wesentlich günstiger als massive Marmor- oder Granitblöcke und ließ sich zudem direkt aus der Region anliefern. Historische Fachwerkhäuser wurden daher fast ausschließlich mit Eichen- bzw. Fichtenholz errichtet. Als ihr besonderes Merkmal hat sich jedoch bis heute die Eigenart eingeprägt, nach der die Balkenenden, Bodenschwellen und Deckenbalken mit kunstvollen Malereien und Schnitzarbeiten versehen wurden. Weniger bekannt ist aber, dass die deutsche Architektur recht unterschiedliche Varianten kannte, um ein Fachwerkhaus zu bauen. So musste zum Beispiel beim klassischen Schwarzwaldhaus die Dachkonstruktion grundsätzlich mit zusätzlichen Holzbohlen verstärkt werden, um den gewaltigen Schneemassen standhalten zu können. Im niederdeutschen Raum wurde wiederum sehr viel Ziegelwerk zum Bauen verwendet. Der alemannische Stil zeichnete sich dagegen durch seine zahlreichen Lehmschichten aus, die eine hohe Wärmedämmung gewährleisteten. Recht interessant ist auch die Lösung, die in Niedersachsen und den Niederlanden bevorzugt wurde: Die dortigen Bauwerke bestachen durch so außerordentlich geordnete und gleichmäßige Abstände zwischen den Holzbohlen, dass einige von ihnen sogar als modernes Fachwerkhaus durchgehen würden.

Fachwerkhaus aus Backsteinen
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Von den finanziellen und wärmedämmenden Aspekten abgesehen, stellte das Fachwerkhaus vor allem aufgrund seiner Skelett-Konstruktion einen entscheidenden Fortschritt gegenüber den bis dahin vorherrschenden Blockhütten dar. Das stabile Holzgerüst konnte den Naturgewalten einfach besser standhalten und reduzierte die Einsturzgefahr auf ein Minimum. Insgesamt überwogen aber die Nachteile, wie unter anderem:

  • recht beengte Räume
  • schiefe Außenwände
  • sehr steile Treppen, dadurch nur bedingt für Senioren und Menschen mit Gehbehinderung geeignet
  • großer Wartungsaufwand
  • hohe Brandgefahr

Nicht zuletzt aus diesen Gründen wurde das Fachwerkhaus im 20.Jahrhundert als Auslaufmodell abgestempelt und zunehmend von Bauwerken aus Stahlbeton und Stahlgerüsten abgelöst. So finden sich bundesweit nur noch etwa zwei Dutzend Hersteller, die Fachwerkhäuser im traditionellen Stil bauen. Die Balken werden zwar nicht mehr von Hand gesägt, sondern in Werkhallen zugeschnitten, müssen aber immer noch direkt vor Ort zusammengesetzt werden. Die zeitsparende Anlieferung kompletter Wandelemente, wie bei Fertighäusern, ist somit ausgeschlossen. Für ein modernes Fachwerkhaus mussten daher andere Vorgehensweisen ausgearbeitet werden.

Das moderne Fachwerkhaus des 21. Jahrhunderts

Schließlich scheint diese Art zu bauen immer mehr Anhänger zu finden. Insbesondere in den Regionen, in den der Fachwerkbau auch schon im Mittelalter stark vertreten war, also vor allem in Niedersachsen und Baden-Württemberg, hat sich inzwischen ein regelrechter Boom entwickelt. Allerdings verwenden die Architekten des 21. Jahrhunderts dafür nur noch die sogenannte „Holzrahmenbauweise“, die auf dem klassischen Fachwerkbau basiert. Diese unterscheiden sich unter anderem dadurch voneinander, dass das Holzskelett nun nicht mehr vollständig aus massiver Eiche besteht. Ein modernes Fachwerkhaus benötigt diese Holzart nur noch für die tragenden Elemente der Konstruktion, während der restliche Ausbau aus regionalen Hölzern, wie Lärche, Fichte und Tanne hergestellt wird. Teilweise kommt beim Bauen aber auch die nordamerikanische Douglasie zum Einsatz, die als äußerst preiswert, stabil und damit sehr langlebig gilt.

Modernes Fachwerkhaus
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Davon abgesehen sind aber auch einige Aspekte der klassischen Bauweise übernommen worden. So kommt dem sichtbaren Balkenwerk neben seiner tragenden auch noch immer eine gestalterische Funktion zu. Ein modernes Fachwerkhaus lässt sich somit durch die Anordnung und Farbgebung der Balken ebenso individuell verzieren, wie seine denkmalgeschützten Vorfahren. Dass diese Gebäudeart über das Balkengerüst hinaus keine weiteren statischen Elemente benötigt, lässt zudem viel Freiraum bei der Gestaltung der Außenfassade. Viele Bauherren tendieren dabei zu großflächigen Glasfronten, die lichtdurchflutete Wohnräume zulassen und auch die Gartenanlagen miteinbeziehen.

Und wie sieht es mit der Energetik aus?

Aus energetischer Sicht ist aber zwingend darauf zu achten, dass die Fenster in Doppel- oder gleich Dreifachverglasung daherkommen, damit das Haus auch über genügend Wärmedämmung verfügt. Im Idealfall fällt diese so umfangreich aus, dass die Immobilie neben dem urigen Charme und gemütlichen Ambiente auch die Voraussetzungen für die Nutzung als Niedrigenergie- oder sogar als Passivhaus aufweist. Schließlich zeichnen sich jene Domizile durch ihren recht niedrigen Heizbedarf aus. Und der besitzt durchaus Relevanz, wenn man berücksichtigt, dass die Baukosten für ein zeitgemäßes Haus im Fachwerk-Stil schon in der oberen Preiskategorie verortet sind. So müssen Eigenheimbesitzer bei Neubauten schon mit mindestens 1.300 Euro pro Quadratmeter kalkulieren. Interessant ist aber, dass die Nachfrage nach modernen Fachwerkhäusern inzwischen so stark angestiegen ist, dass Immobilienmakler hier von einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung ausgehen. Darüber hinaus ergibt sich durch den Einsatz regenerativer Energiequellen ein gewisses Einspar-Potential, was uns schließlich zur Energieeinsparverordnung (EnEv) führt.

Welches Heizsystem für das Fachwerkhaus?
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Umweltbewusst und modern: Niedrigenergiehäuser im Fachwerkbau-Stil

Die EnEV wurde von der Bundesregierung als wichtiges Instrument erlassen, um die energiepolitischen Ziele bis zum Jahre 2050 einhalten zu können. In Bezug auf den Holzrahmenbau ist das von Belang, weil dieser selbst bei geringer Wandstärke eine höhere Wärmedämmung verzeichnet als ein vergleichbares Haus in Massivbauweise. Die Anforderungen der EnEV erfüllt der Holzrahmenbau damit bereits heute in vollem Umfang und wird somit zumindest schon einmal als Niedrigenergiehaus eingestuft. Entsprechende Planung und Investitionsbereitschaft vorausgesetzt, ist selbst der Passivhaus-Standard möglich. Und hier wird es interessant, weil die KfW energieeffiziente Standards bei Neubauten und Renovierungen mit bis zu 100.000 Euro pro Objekt fördert. Wer sich dafür qualifizieren möchte, muss sich jedoch zunächst mit den Bedingungen auseinandersetzen, die die KfW verlangt.

KfW 40

Die niedrigste Stufe mit dem Titel „KfW 40“ ist noch recht einfach zu erfüllen: Ein Haus, das dem Passivhaus-Standard genügt, ist automatisch förderungswürdig. In dem Zusammenhang ist es aber wichtig, den Primärenergiebedarf im Auge zu behalten. Techniker bezeichnen damit den Energiebedarf, der durch nicht regenerative Energiequellen gedeckt wird. Wenn er zu hoch ausfällt, kann der finanzielle Vorteil, der beim Bauen erzielt wurde, schnell wieder aufgezehrt sein. Ein modernes Fachwerkhaus wird deshalb in der Regel mit Fußbodenheizungen oder auch hocheffizienten Wärmepumpen ausgerüstet.

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KfW 40 plus

Um die Fördergelder für das Programm „KfW 40 plus“ zu erhalten, muss man allerdings schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Die Bank verlangt hierfür den Einbau moderner Lüftungsanlagen mit entsprechender Wärmerückgewinnung und eine stromerzeugende Anlage, die erneuerbare Energiequellen nutzt, was bei Eigenheimen zumeist mit Photovoltaikanlagen umgesetzt wird.

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KfW 55

Die höchste Stufe namens „KfW 55“ verlangt im Grunde dieselben Grundvoraussetzungen, wenngleich auch mit verschärften Grenzwerten. Der wichtigste Unterschied zu den vorangegangenen Programmen besteht stattdessen darin, dass der Bauherr hier keinesfalls konventionelle Heizsysteme installieren lassen darf. Im Klartext bedeutet das, dass die KfW hier verlangt, dass mit Fern- oder Erdwärme geheizt werden soll. Auch in diesem Falle wird man also um den Einbau einer Wärmepumpe kaum herumkommen. Wer sich für eine dieser Varianten entscheidet, darf sich aber nicht nur über einen warmen Geldregen aus Bundesmitteln, sondern darüber hinaus auch über ein umweltbewusstes Holzhaus im zeitgemäßen Fachwerkbau-Stil erfreuen.

Erstaunlich: Rehhagels Erkenntnis bestätigt den Trend zum Fachwerkbau

Als die FAZ Otto Rehhagel im Juli 2004 zu seiner recht altmodisch anmutenden Taktik befragte, ahnte sie noch nicht, dass diese zum Titelgewinn bei der EM führen würde. Die legendäre Erwiderung des griechischen Nationaltrainers, „Erfolgversprechende Modelle definieren, was modern ist“, brannte sich aber nachhaltig in die Köpfe der Verantwortlichen der Bundesliga ein und führte dazu, dass wieder ernsthaft über traditionelle Spielformen nachgedacht wurde. Im Rückblick erscheint es fast ebenso sensationell, wie wandlungsfähig sich die Fachwerkbauweise im Verlauf der letzten 2000 Jahre erwiesen hat. Dass sie noch einmal einen bedeutenden Faktor in der deutschen Baubranche spielen würde, hätte noch vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Letztlich mussten sich aber auch die Eigenheimbesitzer der veränderten politischen Lage und damit der EnEv anpassen. Dass moderne Fachwerkhäuser dessen Voraussetzungen schon aus bautechnischen Gründen weitgehend erfüllen, dürfte nicht in geringem Maße zu ihrer Renaissance beigetragen haben. Die Möglichkeit, sie mit hocheffizienter Klima- und Heizungstechnik auszustatten, ist somit quasi nur noch ein zusätzlicher Pluspunkt. Der anhaltende Trend zu Fachwerkbauten deutet jedenfalls daraufhin, dass hier lange Zeit Potential brach lag und dass sie keineswegs altmodisch sind, sondern in ihrer Modernität lediglich falsch interpretiert wurden, wie Rehhagel sagen würde.