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Umweltfreundliche Wärmeerzeuger sind das Heizsystem der Zukunft. In der Gegenwart reißt die Umrüstung von konventioneller zu regenerativer Technologie jedoch erhebliche Löcher ins Haushaltsbudget. Viele Bauherren und Sanierer tendieren daher zur Hybrid-Heizungsanlage. Sie kombiniert die beiden Ansätze miteinander und bietet damit eine attraktive Möglichkeit zur kosteneffizienten und umweltfreundlichen Wärmeerzeugung bei maximaler Sicherheit.
Doppelt hält besser – technischer Aufbau der Hybrid-Heizungsanlage
Die Umrüstung zum Hybrid-System erfolgt auf minimalinvasivem Wege. Das bedeutet, dass die bestehende Heizungsanlage bis auf den Kesseltausch unangetastet bleibt. Hinzugefügt wird zunächst der alternative Wärmeerzeuger, welcher dazu geeignet sein muss, das Gebäude im Zweifelsfalle eigenständig zu heizen. In welchem Mischverhältnis das Heizsystem gespeist wird, hängt von den ausgewählten Komponenten, der geographischen Lage und nicht zuletzt der Jahreszeit ab. Die integrierte Steuer- und Regelungstechnik zeichnet sich dafür verantwortlich, dass hierbei ein Rädchen ins andere greift.
Darüber hinaus wird die Hybridheizung häufig um einen großvolumigen Wassertank ergänzt, der die Energie inkonstanter Wärmeerzeuger (Solarthermie, luftgestützte Wärmepumpen) zwischenspeichert und dem Heizsystem bei Bedarf wieder zuführt. Der Dimensionierung fällt dabei die Schlüsselrolle zu: Der Pufferspeicher muss derart ausgelegt werden, dass die beiden Wärmeerzeuger optimal miteinander harmonieren.
Welche Betriebsarten stehen zur Auswahl?
Die Hybrid-Heizungsanlage muss den Wärmebedarf des Hauses zu jeder Jahreszeit kostengünstig und effizient gewährleisten. Hierfür stehen ihr drei Standardmodulationen zur Verfügung:
- Bivalent-paralleler Betrieb: Der regenerative Wärmeerzeuger trägt die Heizlast oberhalb eines exakt festgelegten Grenzwertes (Bivalenzpunkt) in Eigenregie, welcher mit den heutigen Dämmstandards und Wirkungsgraden bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt unterschritten wird. Die konventionelle Kesseltechnik wird der Hybridheizung folglich nur im Winter zugeschaltet. Dann übernimmt sie jedoch die Hauptlast.
- Bivalent-alternativ: Hier ist jeweils immer nur ein Wärmeerzeuger aktiv. Die Methode kommt zum Tragen, wenn der regenerative Part der Hybrid-Heizungsanlage jenseits des Bivalenzpunktes quasi keine Wirkung mehr erzielt. Dies trifft z.B. auf Luftwärmepumpen und Solarthermie zu.
- Bivalent-teilparallel: Der regenerative Wärmeerzeuger speist die Hybridheizung wie beim Parallelbetrieb bis zum Bivalenzpunkt alleine und wird dann vom Sekundärsystem unterstützt. Danach folgt jedoch noch ein zweiter Bivalenzpunkt (für gewöhnlich bei -2 bis -5 °C), ab dem ausschließlich der konventionelle Kessel agiert.
Richtig kompliziert wird es bei einer multivalenten Heizungsanlage. Dabei werden alle Komponenten ganzjährig eingesetzt, weil moderne Fußbodenheizungen auch zur Gebäudekühlung verwendet werden können. Die Methode eignet sich für die Anwendung beim klassischen Hybridsystem, wurde jedoch vorrangig für die Kombination regenerativer Energiequellen konzipiert.
Ein Praxisbeispiel wäre eine Erdwärmepumpe als Primärkomponente, dessen Strombedarf von einer kleinen PV-Anlage gedeckt wird. Unterstützt wird sie von hocheffizienten Solarkollektoren, die den Warmwasser- bzw. Eisspeicher im Keller versorgen. Die multivalente Betriebsweise steht erst am Anfang ihrer Entwicklung und ist zurzeit noch mit sehr hohen Kosten verbunden. Sie ist jedoch unentbehrlich für das Heizsystem der Zukunft und wird damit zunehmend den Weg in die deutschen Wohngebäude finden.
In der Gegenwart stellt sich für den fortschrittlichen Hausbesitzer aber zunächst die Frage, welcher Zielsetzung die integrierte Regelung Priorität einräumen soll. Steht der Umweltaspekt im Vordergrund? Dann wird die KI in Abhängigkeit von den Witterungsbedingungen immer die Energiequelle bevorzugen, die die geringsten Schadstoffemissionen verursacht. Wenn die Kosten möglichst niedrig bleiben sollen, greift die Regelung auf die im Minutentakt wechselnden Energiepreise zu und wählt automatisch die günstigste Wärmequelle aus.
Die Protagonisten der Hybrid-Heizungsanlage
Die Auswahl der einzelnen Anlagenbestandteile ist zumeist eingeschränkt: Erneuerbare Energieträger benötigen ganz spezifische Standortbedingungen, um effizient wirken zu können. Der konventionelle Part der Heizungsanlage ist bei Sanierungen von Bestandsbauten ohnehin fix.
Erdgasheizung
Die Hälfte der deutschen Privathaushalte setzt auf Erdgas. Der Energieträger besitzt einen hohen Brennwert, ist aber an den Rohölkurs gekoppelt, sodass die Preise erheblich schwanken. Die Ideallösung ist ein Hybrid-System mit Gaskessel und Wärmepumpe. Wenn man gleich noch eine PV-Anlage auf dem Dach montieren lässt, erhält man schon einen sehr hohen Autarkiegrad und senkt die Stromkosten enorm.
Ölheizung
Die Ölheizung ist speziell im süddeutschen Raum noch häufig der zentrale Bestandteil der Heizungsanlage. Neben dem handelsüblichen Heizöl kann man den Kessel inzwischen auch mit Biokraftstoff betreiben, der zu 10 % aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Aufgrund der in Bayern und Baden-Württemberg überdurchschnittlichen Sonneneinstrahlung bietet es sich an, den Ölkessel für die Hybridheizung mit Solarthermiekollektoren zu kombinieren.#
Pellet- oder Scheitholzheizung
Die Pellet/Scheitholzheizung fristet in Deutschland eher ein Nischendasein. Sie ist vor allem dort verbreitet, wo die Gasversorgung noch Lücken aufweist. Dies betrifft vor allem das Sauerland sowie das Dreiländereck Bayern/Sachsen/Thüringen. Die Leistungsstärke ist in etwa auf der Höhe moderner Gaskessel anzusiedeln. In Sachen Umweltbilanz nimmt die Technik indessen einen Sonderstatus ein: Zwar wird bei der Verbrennung CO2 freigesetzt, allerdings nur solches, das der Atmosphäre direkt zuvor entzogen wurde. Die Pelletheizung arbeitet also klimaneutral und fungiert damit zwischen fossilen und erneuerbaren Energiequellen als Hybrid im Wortsinne. Sie erzielt im Verbund mit Luftwärmepumpen brauchbare Ergebnisse. In etwas höher gelegenen Regionen kann es nach Sonnenuntergang allerdings so kalt werden, dass mehr Power benötigt wird. Dann bietet sich die Kombination mit wasserstoffbetriebenen Mikro-KWK-Anlagen (Brennstoffzellenheizung) an.
Vor- und Nachteile der Hybridheizung
Verschiedene Technologien miteinander zu kombinieren, bietet nicht ausschließlich Vorteile. So ist etwa der Platzbedarf der Hybridheizung deutlich größer als der konventioneller Anlagen. Im gleichen Maße erhöht sich die Störanfälligkeit und damit auch der Wartungsaufwand. Die Vorzüge überwiegen aber letztlich deutlich. Hierzu zählen unter anderem:
- Bewährte Technik: Öl- und Gaskessel heizen den Europäern seit über 120 Jahren ein. Die Geräte arbeiten inzwischen fast verlustfrei und gewährleisten die für die Grundheizlast dringend benötigte Zuverlässigkeit.
- Umweltfreundlichkeit: Die deutschen Privathaushalte setzten 2019 fürs Heizen insgesamt 126 Mio. Tonnen CO2 frei. Mit einer gut geplanten und sorgfältig gesteuerten Hybridheizung lassen sich die Emissionen um bis zu 60 % reduzieren.
- Investition mit Augenmaß: Die Einbindung erneuerbarer Energien geht mit umfangreichen baulichen Anpassungen einher. Das Hybrid-System zunächst als Zwischenlösung zu wählen, um dann bei der nächsten Wohnraumsanierung in 30 Jahren vollständig auf regenerative Techniken zu setzen, ist aus finanzieller Sicht daher oft unumgänglich.
- Staatliche Unterstützung: Die Bundesregierung schüttet die Einnahmen aus der CO2-Steuer an Privatpersonen und Unternehmen aus, die energetische Sanierungen vornehmen. Im Idealfall erhält man so 45 % der Anschaffungskosten für die Hybrid-Heizungsanlage zurück.
- Unabhängigkeit vom Energiemarkt: Die Preise für Heizöl werden aufgrund der CO2-Abgabe von 2021 bis 2026 um 150 % ansteigen. Der Erdgaskurs war von 2010-2020 sehr stabil. Sobald Nord Stream 2 ans Netz geht, wird Moskau jedoch ordentlich an der Preisschraube drehen. Wer regenerative Energiequellen einbindet, ist damit klar im Vorteil.
Hybrid-Lösung oder Kernsanierung?
Wann ergibt die Umrüstung auf eine Hybrid-Heizungsanlage besonders viel Sinn? Hier ist das Alter der Immobilie der erste Anhaltspunkt: Neubauten sollten knapp 60 Jahre lang ohne umfassende Kernsanierung genutzt werden können. Damit sind vor allem Gebäude, die zur Zeit der Wende errichtet wurden, ein Kandidat für die Modernisierung mit angezogener Handbremse. Daneben spielt auch die Lebensplanung der Bewohner eine Rolle. Schließlich amortisiert sich der Einbau von Hybridheizungen im Durchschnitt erst nach 15 Jahren.
Bei Mehrfamilienhäusern gelten andere Regeln. Dort lohnen sich Hybridanlagen auch für Neubauprojekte, weil sich die gesetzlichen Vorgaben durch die Kombination aus konventioneller Kesseltechnik und multiplen Luftwärmepumpen (Etagenheizung) sehr kostengünstig einhalten lassen.